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Autorenbildkoselimke

Status


Status. An dieser Stelle läuft in meinem Kopf die Titelmusik von Jaws ( Jaws = Der weiße Hai, für alle die nicht wissen, wovon ich spreche - ist nen Film über einen dimensional großen, weißen Hai, der alles frisst, was nicht bei drei aufm Baum sitzt, 850.000x getötet wird, immer wieder aufersteht, weiter frisst und am Ende dann in die Luft gesprengt wird, um im zweiten Teil wieder aufzuerstehen, zehn Babys zu zeugen, die auch alles fressen und so weiter und so fort). Jaws also... Hört ihr die Musik auch? Ich habe die Überschrift für diesen Text extra so gewählt. Jaws heißt ja auch nur Jaws und nicht: Jaws und der Wackelzahn. Jaws ist furchteinflößend, genauso wie der Status und was wir daraus gemacht haben. Ach so und für alle, die fragen: Ja, ich habe zu allem ne Musik im Kopp.


Bevor ich beginne, möchte ich zwei, drei grundlegende Dinge klarstellen: 1. Es gibt (meines Erachtens) ca. 1 % Menschen auf der Welt, die kein Thema mit dem Status haben - an Euch: Herzlichen Glückwunsch! Vor langer, langer Zeit habe ich mich auch mal zu den Glücklichen gezählt und dann bin ich ins Game reingehüpft und drin verschollen. 2. Viele werden sich ertappt, peinlich berührt und vielleicht sogar getriggert fühlen - an Euch: Bitte beruhigen Sie sich, ich bin genauso blöde und es geht mir heute nur darum, es aufzuzeigen und nicht darum zu ver-/beurteilen. 3. Meine Recherchen beruhen auf eigenen Erfahrungen, offenen Gesprächen mit anderen Status-Erkrankten sowie geläuterten Status-Erkrankten. 4. Ich schreibe heute der Einfachheit halber nur über den “Status”, es gibt zig Namen “Status, Story, 24h-Bild”... steigt ja eh keiner mehr durch, daher bleibe ich beim “Status” und meine all das, wo wir Bilder und/oder Videos von uns hochladen, die nach 24h verschwinden. Bereit? Los geht`s!


So gut wie jeder von uns postet Bilder und Videos im Status. Warum tun wir das? Wir möchten der Welt und uns zeigen, dass wir ein tolles Leben haben, dass wir dufte Typen sind und total liebenswert. Die wenigstens posten sich, nachdem sie drei Stunden geheult haben, weil wir danach meist aussehen wie ein aufgedunsener Schwamm und keinen Bock drauf haben unseren Kontakten zu verraten: “Mir geht`s beschissen”. Wir posten uns lachend mit einem Aperol Spritz in der Hand uns schreiben kecke Sprüche dazu wie: “Aperol Spritz am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen”.


Wir posten, damit alle sehen können, was für nen geiles Leben wir haben und wir posten für bestimmte Personen aus unseren Kontakten. Sei es die Kollegin, die ständig auf Reisen durch Nepal und Singapur ist und der wir ihr Leben neiden. Der möchten wir mit Aperol Spritz zeigen: Bei mir ist auch geil, hier auf`m Stadtfest in Buxtehude. Oder wir posten es für unsere Eltern, die uns immer das Gefühl gegeben haben zu blöde zum Scheißen zu sein. Da packen wir unsere Auszeichnung als weltbester Grafiker des Jahres 2024 in den Status und schreiben: “Geschafft”. Und dann gibt es da noch die ausgeklügelsten, intensivsten und häufigsten Status-Postings: Die, zwischen zwei Menschen, die sich lieben, aber sich nicht trauen sich das zu sagen bzw. Die, für den Menschen, in den wir heimlich verknallt sind und hoffen, dass er auch in uns verknallt ist.


In meiner Welt war es früher, wo ich noch jung und unschuldig war, so: Ich habe ganz selten mal einen Status gemacht, weil es mir tatsächlich eher unangenehm war, mein Gesicht in die Kamera zu halten und das dann mit der Welt zu teilen. Das ging bis zum dem Tage so, als ich einen Mann kennenlernte, und wir (ohne es je offen ausgesprochen zu haben) anfingen über unseren Status miteinander zu kommunizieren. Heißt: Er postete sich breit grinsend im Nirgendwo, so dass ich dachte: “Oh, ist der sweet und cool, den möchte ich wiedersehen” und ich postete meine nackten Beine im Pool in der Hoffnung, dass er sich dachte: “Oh, hat die scharfe Beine, die will ich heiraten” - und plötzlich war es ein Selbstläufer.


Natürlich denkt man, nur man selbst ist so Banane im Kopf, bis man merkt: Ach, machen alle so. Es gibt immer diesen einen Namen und dieses eine kleine Bildchen, wo einem das Herz höher hüpft, sobald er oder sie in der Statusliste “Gesehen” auftaucht. Dann ist der Tag gerettet. ER hat es gesehen (oder SIE). Wir rasten aus vor Freude, denn der kack-blöde Status ist doch nur für unseren Angebeteten. Wir möchten zeigen: Guck mal, wie toll ich bin. Guck mal, was du verpasst, du Dödel! Könnte der Status sprechen, würde er sagen: “Der Spaziergang im Abendrot? Da hättest du dabei sein können, denn den blöden Spaziergang will ich mit dir machen, aber leider traue ich mich nicht es dir zu sagen, deshalb poste ich es lieber in meinem Status. Ich poste es, in der Hoffnung, dass du entweder im Schweinsgalopp hier her rennst und wir uns “zufällig” begegnen und Dinge sagen wie: “Ach, bist du auch hier?” oder in der Hoffnung, dass du mir schreibst: “Gehst du spazieren?” und ich dann sagen kann: “Ja”. Mehr sage ich leider nicht, weil ich nach wie vor zu blöde bin zu sagen: “Ja und ich würde so gerne mit dir spazieren gehen und dabei deine Hand halten, weil deine Hand zu halten das Schönste für mich ist”.


Also posten wir und posten wir und posten wir, wie die Vollidioten vorm Herrn. Insgeheim glaube ich, dass WhatsApp/Instagram und Co. das so geplant hatten, denn vom einfachen “Ich poste mal ein Bild”, können wir mittlerweile unsere Bilder auch mit Musik unterlegen! Next Level. Also posten wir uns rattenscharf hindrapiert im Mondenschein und untermalen das Bild mit Songs wie “I`ll Make Love To You” von Boyz II Men, in der Hoffnung, dass unser Gegenüber rafft, dass wir Love to ihm oder ihr machen wollen und es endlich mal passiert.


Wisst ihr was das Problem dabei ist? Dass wir, wenn wir uns verlieben, zu verunsicherten Honks mutieren. Ich bin genau so lange lässig-entspannt, bis ich mich verliebe - dann fliegt mir jeglicher gesunder Menschenverstand raus und ich raffe nichts mehr. Heißt, wenn der Mann nicht nackend mit einer roten Rose zwischen den Zähnen vor mir kniet und mich (im besten Fall) anschreit: “IMKE, ICH LIEBE DICH”, dann raffe ich es nicht. Völlig egal, was alles gesagt wurde, wie oft geknutscht und gefummelt wurde - ich peil es nicht und renne hohlköpfig durch die Welt, denke “Der kann mich ja gar nicht gut finden”, rede mir zusätzlich ein “Nö, ich find den gar nicht gut” - bis der nächste Status kommt und mir wieder der Schlüppi explodiert. Deshalb bringt der olle Status auch nichts, weil wir so viel Angst vor Ablehnung haben und dass er/sie uns nicht genauso toll findet, wie wir ihn/sie, dass wir eh nicht auf den Status von unserem Gegenüber reagieren. Wir wollen uns auf keinen Fall die Blöße geben, lieber stalken wir den Anderen bis zum Umfallen. Wir screenshoten jedes Bild und glotzen es stundenlang schmachtend an, träumen von einem gemeinsamen Leben und sterben am Ende allein. So! Jetzt glaubt mal nicht, ich würde das hier alles so offen schreiben, wenn ich nicht wüsste, dass es 99% der Menschen auch so ergeht - ich bin schließlich nicht komplett gaga. Ich habe den ganzen Rotz jahrelang studiert und recherchiert. Ich habe mich irgendwann getraut und angefangen in meinem Freundeskreis zu fragen, ob die auch die Status-Kommunikation kennen - da kamen Geschichten bei rum, phänomenal. Ich habe aber allen versprochen, nichts öffentlich zu teilen - dennoch, an dieser Stelle: Danke für die Ehrlichkeit. Danach wurden mir immer mehr Status-Offenbarungen mitgeteilt, Dank Instagram und Co.


Nachdem wir also 100x einen Status gepostet haben und nichts passiert ist, fallen wir in ein tiefes Loch. Endlich haben wir die Bestätigung: Nur wir lieben ihn/sie. Was machen wir also? Wir hören auf den Status unseres Gegenübers zu gucken, damit er/sie weiß: Ich find dich auch nicht toll. Ist natürlich Bullshit, wir glotzen trotzdem weiter und zwar heimlich. Dafür gibt es zig Möglichkeiten. Bei WhatsApp machen wir unsere Lesebestätigung aus, sodass der andere nicht sieht, dass wir den Status natürlich eifrig weiter gucken. Bei Instagram schalten wir uns in den Flugmodus und gucken dann oder sind im besten Fall in jemanden verliebt, der ein öffentliches Profil hat - da kannst du nämlich den Status googeln und ALLES heimlich gucken. Passiert dann noch immer nichts, gehen wir noch einen Schritt weiter: Wir löschen den Kontakt (aber schreiben uns vorher die Nummer auf) und/oder entfreunden uns bei Instagram/Facebook und Co. Damit der andere sicher weiß: Nö, ich find dich nicht gut. Für mich ist dabei immer ne Welt zusammen gebrochen, mein erster Gedanke war stets: "Scheiße, der findet mich nicht gut. Warum sollte mich jemand löschen, der mich gern hat?" Bis mir dann irgendwann erklärt wurde, dass es zu schmerzhaft ist, ständig die Fotos/Videos und all das Zeug von dem Menschen anzusehen, mit dem man so gerne zusammen sein möchte. Da bin ich persönlich masochistisch veranlagt, ich glotze immer freudig weiter alles an und lösche nicht. Ich lösche höchstens, wenn ich massiv angepisst bin oder glaube, dass er mich eh nicht will und ersaufe dann beim Löschen in einem See aus Tränen. Solange ich mir aber noch einreden kann, dass der Status für mich ist, bin ich wie eine Suchtkranke auf der Suche nach dem nächsten Schuss.


Das Hauptproblem bei all dem Status machen, Status gucken, Kontakt löschen - Gedöns ist: Wir wissen es nie zu 100%, ob wir Recht haben. Ob das, was wir fühlen, wirklich der Wahrheit entspricht. Unser Kopf wird uns immer einreden, dass er/sie uns einfach nicht mag. Dass wir nie eine wirkliche Chance hatten. Dass keiner der wundervollen Status-Meldungen an uns gerichtet ist, sondern in Wahrheit für Ursel oder Heinz-Peter. Am Ende sind zwei Herzen, die zusammen sein möchten, allein, weil wir zu blöde sind miteinander zu sprechen.


Es gibt jetzt also zwei Möglichkeiten. 1. Wir fangen endlich an miteinander zu sprechen und ehrlich zu sein. Wir bringen den Mut auf und zeigen uns verletzlich und nehmen es in Kauf, dass wir evtl. abgelehnt werden oder 2. Wir kriegen ihn/sie nicht, weil unsere Liebesgeschichte nur auf dem Status beruht. Ich weiß nicht, wie es euch ergeht, aber ich möchte nicht mit 80 im Altersheim hocken und dann kommt ER mit seinem Rollator an mir vorbei geschlichen, wir erkennen uns - trotz fehlender Zähne im Mund - und da wir eh kurz vorm Tode stehen, sagen wir: “Weißt du noch damals? Da war ich verliebt in dich und habe immer einen Status für dich gemacht.” Dann lachen wir uns zahnlos an und wissen: Super, wir haben es verkackt, aber jetzt ist endlich unsere Zeit gekommen! Dann gibt`s nen Kuss auf die spröden Lippen, dabei bricht die Achse vom Rollator, er fällt, schlägt sich den Kopp am Sauerstoffgerät an, fällt ins Koma und stirbt. Ich sterbe dann natürlich auch, weil es sich nicht mehr zu Leben lohnt und dann stehen wir gemeinsam bei Petrus am Himmelstor und sagen: Wir hatten nichts, aber wir hatten den Status.


So, Freunde der Sonne - Ich glaube es ist Zeit, dass wir was verändern und endlich mal für unser Herz losmarschieren - sagte sie und postete einen Status in der Hoffnung, dass er ihn heimlich sehen wird ...

- Ende -

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