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Hilfe, ich bin spirituell und habe mich getrennt, oder auch: Weil ehrlich am längsten währt

Aktualisiert: 10. Aug. 2023


Es gibt einen weit verbreiteten Irrglauben und dieser ist: Bist du spirituell, lebst deine Anbindung in die geistige Welt, dann schwebst du all day long engelsgleich in anderen Spähren und alles ist luftig leicht. Ich habe mir das auch immer so vorgestellt. Genauso bin ich davon ausgegangen, dass meine Trennung bzw. mein Auszug so laufen wird: Ich habe eine Wohnung und das Erste, was ich tun werde, ist: Ein Räucherstäbchen anzuzünden, zu meditieren und im Lichtstrahl der Erkenntnis, der Liebe und des Friedens alles über die Bühne zu bringen…


Da viele meiner Klientinnen aktuell auch Trennungen durch machen und mir Nachrichten schreiben, wie schwer das ist und sich fragen, ob mit ihnen etwas nicht stimmt, weil die spirituelle Coaching-Szene zum Großteil mit verklärtem Blick säuselt, wie frei die Seele sich fühlt, wenn eine Trennung vollzogen wird und dass mit Heilsteinen aufm Kopp alles gut wird, habe ich mir gedacht: „Komm Imke, schreib doch mal wie sowas wirklich läuft“- zumindest in den meisten Fällen, wo Menschen Emotionen haben und diese sich in lebensverändernden Situationen zeigen. Zuallererst: Schmeißt die ollen Heilsteine in die Ecke, die helfen gar nichts! Nur weil so ein spiritueller Dödelkopf dir sagt, dass alles in Liebe und Leichtigkeit geht, fühlst du dich direkt scheiße, wenn es bei dir nicht so ist. Daher: Hier meine Tipps und Tricks, um eine Trennung und einen Umzug zu überstehen: Bier und Musik!


Ich habe alle Emotionen durchlebt, die es gibt. Freude, Trauer, Angst, Wut und das im wechselnden Sekundentakt - je nach Tagesform und Anzahl getrunkener Biere. Ich durfte feststellen, dass Bier mich glücklich macht. Herbert hat es schon gesungen: Alkohol ist ein Sanitäter in der Not. Recht hat er. Ohne fürs Betrinken Werbung machen zu wollen … aber so ein kleiner Schwips ist, in emotional herausfordernden Situationen, was Feines. Ihr könnt euch ja nen Räucherstäbchen anzünden und euer Glück damit versuchen. Jeder wie er meint. Nach diesem Umzug verstehe ich zumindest, warum so viele Menschen sich so regelmäßig einen hinter die Binde kippen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich alkoholisiert plötzlich italienisch kann. Ich konnte Eros Ramazzottis „Se bastasse una canzone“ textsicher mitgrölen. Ich kann mit ihm im Duett auftreten! Ich brauche nur zwei Bier vorher und schon ist mein italienisch perfekt. Ich weiß nicht, ob meine Nachbarn das auch so sehen, aber im Zweifel haben die einfach keine Ahnung. Noch ein weiterer Tipp: Im Notfall immer lügen. Am nächsten Morgen lächelnd durch den Flur laufen und wenn dir einer entgegenkommt, sagen: „Hast du das gestern auch gehört? Ist das immer so laut hier?“. Müssen die ja nicht wissen, dass ich diejenige bin, die für das Gepolter verantwortlich war, weil ich besoffen über die Umzugskartons gefallen bin. Noch ein Tipp, bei dusseligen Fragen wie: „Och hast du nicht gut geschlafen? Deine Augen sind so dick.“ Einfach nett lächeln und sich totstellen, denken darf man ja alles, z.B. „Dein Ernst Gundel? Ich habe den ganzen Abend geheult! Mein Leben geht gerade den Bach runter! Was für ne dämliche Frage!“. So ein Umzug macht schon was mit einem - auch körperlich. Ich bin innerhalb von drei Tagen um zehn Jahre gealtert. Meine Brüste haben konsequent die Zeit abgesessen, bis zum Tage des Umzugs und dann sind die einfach ne Etage tiefer gerutscht, die Schweinebacken. Die haben sich gedacht: „So, jetzt haben wir auch keinen Bock mehr“ und zack, haben die sich abgeseilt. Danke für Nichts.


Ich habe die letzten Tage gesoffen, geheult, mich hart gefeiert, wieder geheult, noch mehr gesoffen und mich selbst bemitleidet. Ich bin überglücklich durch die Bude getanzt (zu Eros). Ich habe mir eine komplette Performance überlegt, mit Tanzeinlage. Dann habe ich so lange geübt bis jeder Schritt saß und habe die Nummer mir selbst vorgeführt. War ja kein anderer da. Während der Showeinlage, wollte ich urplötzlich jeden und die ganze Welt umarmen. Kurz drauf habe ich dann bemerkt, dass niemand an dieser erquickenden Nummer Anteil nimmt, also musste ich daraufhin todunglücklich an die Wand starren, weil mir in dem Augenblick klar geworden ist, dass ich für immer allein sein werde und dass ich alle glücklichen Menschen hasse. Danach habe ich mich nackend im Spiegel betrachtet und gedacht „Damn Girl, du hast es noch immer drauf“, um fünf Minuten später festzustellen, dass ich aussehe wie ein gestrandeter Wal und nie wieder Sex haben werde, um drei Minuten später zu merken, dass es Blödsinn ist und ich sie alle haben kann, um dann vier Minuten später heulend festzustellen, dass mein Leben nun endgültig vorbei ist, niemand mich liebt, ich doch einsam sterben muss und zusätzlich, zu all dem Drama, noch ne schlechte Mutter bin, unfähig mein Leben zu regeln und sowieso nichts im Leben einen Sinn hat.


Ich habe eh das Gefühl immer den richtigen Zeitpunkt zu finden, um lebensverändernde Entscheidungen zu treffen. Kann ich auch echt nur empfehlen (Tipp Nr. 3): Trennung kurz vor Weihnachten aussprechen ist wirklich was Schönes und dann umziehen, wenn alle im Sommer-Familienurlaub sind und überall happy Familypics gepostet werden. Das hebt die Laune ungemein.


Jetzt fragt sich der eine oder die andere vielleicht „Was ist mit ihr? Ist die nicht über ihren Typen hinweg?“. An dieser Stelle möchte ich mal sagen, dass so eine Trennung schmerzhaft ist, egal ob wir noch lieben oder nicht mehr oder anders als davor. Man verabschiedet sich von einem Lebensabschnitt und auch von einer Vorstellung, die man ja meist hat, wenn man jemanden heiratet oder sich entscheidet das Leben miteinander zu teilen. Ist mir bums egal wie andere es machen, ich finde es schmerzhaft und ich plärre es auch raus. Wenn mir noch einmal jemand ankommt, der sich aufgrund einer anderen Person getrennt hat, auf Wolke7 schwebt und mich dann fragt „Was hast du denn?“, dem sage ich: „Schnauze, du Lappen! Direkt ins Nächste stürzen kann ich auch!“. Genauso die Menschen, die seit 300 Jahren unglücklich in einer Beziehung hängen und Ratschläge erteilen bzgl. „Wie trenne ich mich richtig“ - auch euch: Schnauze! Und auch an die ganzen emotional verkrüppelten Honks dieser Welt: Schnauze!


So. Bevor sich jetzt alle in den Tod stürzen wollen, es gibt auch Gutes: Der Schmerz, der gefühlt wird, geht danach auch. Morgens allein einen Kaffee zu trinken und die Stille zu genießen - unbezahlbar. Das Klo ist nie besetzt! Nächtliche Hustenattacken? Kein Problem, man weckt niemanden mehr damit auf! Die Wohnung nach den eigenen Wünschen einrichten - wundervoll. Festzustellen, dass man, nach dem vierhunderten Anlauf, die Schraube richtig in den Schrank bohrt - grandios… und dann ist da noch die eigene Seele, die genau weiß: Der Weg ist richtig. Egal wie seltsam und beängstigend es sich zu Beginn anfühlen mag: Der Weg ist richtig.

Also, heult, schreit, lacht und macht das, was ihr wollt und wenn ihr noch 100x zurückgeht, dürft ihr auch das. Wenn die Zeit gekommen ist, werdet ihr es wissen und es dann durchziehen - mit Bier und ohne.


Zum Abschied (also, bevor ich den Text beende und mich in die „Sommerpause“ begebe, nicht weil ich mich in den Abgrund stürzen will), hier noch meine Trennungs-Playlist für Fortgeschrittene:



1. Believe - Cher

2. Nothing Compares 2 U - Sinéad O’ Connor

3. The Winner Takes It All - ABBA

4. I Want To Know What Love Is - Foreigner

5. Time To Say Goodbye - Andrea Bocelli.


Die ersten fünf Lieder sind super, um es richtig zu fühlen und sich haltlos ins eigene Elend reinzusteigern. Kann man übrigens auch super - mit Bierflasche als Mikro - mitsingen. Wenn das überwunden ist, braucht man was sinnlos-erbauendes:


1. YMCA - Village People

2. Informer - Snow

3. Up and Down - Vengaboys (Wusstet ihr, dass es bei dem Lied ums Bumsen geht? Ich hab es jetzt erst gerafft)

4. Sexy And I Know It - LMFAO

5. I bin a bayrisches Cowgirl - Nicki



Weitere Musikvorschläge könnt ihr in die Kommentare packen. In diesem Sinne: Frohes Trennen, frohes Umziehen, frohes Heulen und frohes am Arsch lecken an alle Hater!


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