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Die Sache mit Social Media

Autorenbild: koselimkekoselimke

Mit Social Media verbindet mich eine lange und intensive Hass-Liebe. Es gibt Phasen, da finde ich es ist eine tolle Sache. Ich kann mich mit anderen Menschen rund um den Globus verbinden, ich kann mich mit Organisationen beschäftigen die meine Werte vermitteln oder ich kann gucken was Hansi Hinterseer Sonntagsmorgens so treibt.


Dann gibt es wieder Phasen, wo ich es nicht fünf Sekunden lang aushalte und es einfach nur völlig beknackt finde. Wenn ich jeden Tag fünf Nachrichten von Ben12345 bekomme in denen er mich fragt ob wir uns schreiben wollen, weil er mich voll hüPsch findet oder sexybabsi33 fragt ob ich mich für ihre Brüste interessiere. Nein, Babsi - Danke der Nachfrage, ich habe selber welche, das reicht mir.

Das sind dann so die Momente in denen ich mich frage, warum ich mir das social Media Gedöns immer wieder antue.


Bei Social Media ist alles mehr Schein als Sein. Darum geht es auch auf Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. Wir möchten uns dort von unserer besten Seite präsentieren.

Wenn ich mir für meine Postings ein Foto aussuche, nehme ich auch nicht unbedingt die Bilder, auf denen ich aussehe wie Frankensteins Monsters Mutter. Sind wir doch mal ehrlich… Natürlich setzen wir uns vorher in Szene. An sich ist das auch nichts verwerfliches. Schwierig wird es erst dann, wenn wir in einen Strudel rutschen, in dem wir unseren Wert von irgendwelchen Likes und Herzen unter unseren Bildern abhängig machen. Wenn der Tag nur dann gut war, wenn wir eine Reaktion auf unsere Story bekommen.

Wenn wir anfangen in eine Welt zu flüchten, die wir uns kreieren oder von anderen kreieren lassen.

Schwierig wird es auch, wenn wir anfangen uns aufgrund von Bildern anderer schlecht zu fühlen.


Es gab Zeiten wo ich mir viele, viele, viele Bilder von Frauen mit reiner Haut angesehen habe. Je reiner die Haut der Frauen war, desto röter und hässlicher habe ich meine Haut empfunden. Je mehr ich mir Bilder von anderen Frauen angeschaut habe, desto hässlicher habe ich mich gefunden. Desto mehr habe ich mich verflucht, weil ich Rosacea habe und meine Wangen eben immer rot sind, egal wieviel Make-up ich mir ins Gesicht schmiere. Es wurde immer schlimmer und je schlimmer ich mich innerlich fühlte, desto röter wurde mein Gesicht, desto mehr tat es weh und desto unwohler fühlte ich mich.


Irgendwann hat mir dann ein kluger Mensch erklärt, dass man Bilder retuschieren kann und dass es sogenannte „Fake vs. Real“ Seiten gibt, wo die retuschierten Bilder entlarvt werden. Ich bin fast vom Glauben abgefallen. Plötzlich wurde mir klar, dass kaum ein Mensch reine, klare, rosababypopo farbende Haut hat. Pickel, Mitesser, rote Äderchen, Augenringe, Falten, Akne, Muttermale… Das alles ist völlig normal und bei 90% der Menschheit so gegeben. Filter und Co. machen es möglich, dass wir uns so retuschieren können, dass wir am Ende nicht mehr wie das Krümelmonster aussehen.


Das war der Moment wo ich mich gefragt habe: „Was mache ich hier eigentlich? Spinne ich? Mache ich meinen Wert gerade allen ernstes von roten Wangen und Fotos irgendwelcher Menschen, die ich nichtmal kenne, abhängig?“


Ein Bild bei Social Media sagt nichts darüber aus, wer ich bin, wofür mein Herz schlägt, was mich ausmacht. Ich kann bei Social Media ein Bild von mir kreieren, was ich der Welt von mir zeigen möchte. Ich kann Masken tragen und niemand wird je erfahren was dahinter steckt.

Ich kann ein Bild von meinem veganen Burger posten und niemand wird je erfahren, ob ich mir danach eine Currywurst in die Figur kloppe. Ich kann mit meinem Partner eng umschlungen vor dem Eifelturm stehen und niemand wird je erfahren ob wir nicht schon längst in getrennten Betten schlafen. Ich kann ein Bild von mir und meinem Kind posten und niemand wird je erfahren ob ich es vorher angeschrieen habe, weil es die cremefarbende Markenklamotte nicht anziehen wollte.


Letztlich bleibt Social Media nicht echt. Es ist nicht die echte Welt und nicht das reale Leben. Auch wenn es mittlerweile immer mehr Menschen gibt, die wirklich versuchen dort echt zu sein. Frauen, die ihre Cellulite zeigen, Männer die erzählen welche Tränen sie am Tag so verdrücken, Organisationen die sich fürs Klima einsetzen … etc. pp.

Wir dürfen dabei aber trotzdem nicht vergessen: Ich sehe nur ein Bild, nur ein Video, nur ein Reel… Mehr ist es nicht. Ich sehe das, was die Person bereit ist mir von sich zu zeigen. Die wenigsten sind bereit sich selbst zu zeigen, weil (und da kommt es wieder!) wir uns aufgrund mangelnder Selbstliebe nicht zeigen wollen. Wir wollen nicht zurück gewiesen werden, wir wollen nicht verletzt werden. Wir haben Angst nicht gemocht zu werden, wenn wir uns so zeigen wie wir wirklich sind. Also zeigen wir etwas von uns, von dem wir glauben, dass andere es liebens- und bewundernswert finden werden. Wir verstecken unser Herz hinter einer Maske aus tollen Urlauben, leckerem Essen, Pärchenpics und und und…


Mittlerweile bin ich an einem Punkt, an dem mich das alles immer weniger interessiert. Wenn ich zwei Likes bekomme, ändert das nichts daran, wer ich bin und was mich ausmacht. Ich bin noch immer unschlüssig ob ich diese Plattform wirklich nutzen möchte um z.B. diesen Blog zu bewerben.

Wenn niemand meinen Blog liest, schreibe ich ihn ja trotzdem weiter, weil es mein Herz glücklich macht. Jedes einzelne Wort was ich aufschreibe, lässt mein Herz hüpfen. Wenn andere Herzen mit hüpfen ist das umso schöner, aber letztlich habe ich keinen Einfluss darauf und den will ich auch nicht haben. Keine Kontrolle darüber haben zu wollen wie etwas bei anderen Menschen ankommt, ist wahnsinnig befreiend. Erst dann, wenn uns am Arsch lang geht was andere von uns denken, sind wir wirklich bei uns und in der Freiheit angekommen. Erst dann tun wir die Dinge wirklich für uns selber. Dann setzen wir unsere Masken ab, weil wir keine Angst mehr davor haben ob andere uns nicht mögen, denn wir mögen uns so wie wir sind.


Ich mag mich so wie ich bin, das kann ich mittlerweile frei vom Herzen sagen. Hätte ich lieber eine reine Haut ohne rote Stellen? JA! Dennoch finde ich mich deshalb nicht mehr hässlich.


Mein Tipp an alle, die mit Social Media struggeln: Schaut euch keine Fotos von Menschen an, die euch runterziehen und legt Pausen ein. So handhabe ich es mittlerweile.

Auch wenn Social Media eine schöne Möglichkeit ist um in Kontakt zu bleiben (oder durch die aktuelle Situation noch mehr befeuert wird, weil man kontaktlos Kontakt halten kann), bleibt doch eine Sache für uns alle hoffentlich ganz klar: Ein Profil im Internet kann nie ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht, gemeinsames Lachen, eine richtige Umarmung vom Herzen und ein Blick in die Augen meines Gegenübers ersetzen.




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