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Die Sache mit den Alltagshelden


Vor gefühlt 50 Jahren habe ich hier einen Text über „Mut“ veröffentlicht. Es ging um Drachen und so, absolut lesenswert, kann ich nur empfehlen ;)


Ich habe gestern etwas gemacht, wofür ich all meinen Mut aufbringen musste. Es bleibt mein Geheimnis was es war, ich sage nur soviel: Ich bin weder aus einem Flugzeug gesprungen, noch habe ich mich in einen reißenden Wasserfall gestürzt. War trotzdem krass. So!


Also, auf jeden Fall habe ich mich dann noch einmal mit dem Thema „Mut“ befasst. Ich habe mich dabei nämlich überhaupt nicht mutig gefühlt, auch nicht währenddessen und erst recht nicht danach. Vom Gefühl her war ich eher ein Häufchen Elend auf dem Weg zur Schlachtbank.

Warum fühlen wir uns so selten mutig, wenn wir etwas machen, vor dem wir richtig viel Schiss haben?

Ich glaube, dass es daran liegt, dass wir ein bestimmtes Bild von Mut haben. Wenn wir an mutige Menschen denken, dann denken wir an Helden. Menschen die jemanden vor dem Ertrinken gerettet haben oder aus einem brennenden Haus. Starke Typen, die muskelbepackt und lässig durch die Straßen schlendern auf der Suche nach potentiellen bedürftigen Menschen, die sie retten können. Helden haben keine Angst, die lachen der Angst ins Gesicht und schmieren sich währenddessen noch ein Leberwurstbrot oder eins mit Marmelade.


Wisst ihr wen ich mutig finde? Menschen mit Depressionen, die trotzdem jeden Morgen wieder aufstehen und sich ihrem Leben stellen. Menschen die es schaffen auf Alkohol zu verzichten, obwohl sie ihre Sorgen am liebsten wegtrinken möchten. Menschen die morgens ihrer Gesundheit zuliebe auf ihren geliebten Kaffee verzichten, obwohl sie sich danach verzehren. Kinder zu kriegen ist mutig und damit meine ich nicht nur, dass wir Frauen etwas aus unserer Vagina pressen, dass die Größe einer Wassermelone hat. (Das ist ziemlich mutig, ich weiß wovon ich spreche).


Für mich persönlich bedeutet mutig sein auch, dass ich zu mir stehe. Dass ich Dinge tue oder lebe, die andere vielleicht nicht verstehen können, vielleicht sogar verletzen. Mutig ist ebenfalls, das dann auszuhalten und zu akzeptieren, dass ich einer anderen Person weh getan habe, auch wenn ich das nicht böswillig getan habe. Mutig ist für mich, meine Ziele weiter zu verfolgen, egal wieviele Steine in meinem Weg liegen, egal wie lang es dauert bis ich am Ziel angekommen bin. Schritt für Schritt und im eigenen Tempo auf das Ziel zugehen, das empfinde ich als mutig. Neue Wege einzuschlagen, dadurch manchmal gegen den Strom zu schwimmen. Es ist gar nicht so leicht bei sich zu bleiben, wenn permanenter Gegenwind kommt und da zeigt sich dann für mich wie mutig ich bin. Mutig ist auch zu meinen Gefühlen zu stehen. Einen Menschen zu lieben ist mutig. Nicht nur, weil wir eventuell nicht zurück geliebt werden, sondern auch, weil wir uns dadurch verletzlich machen, weil wir vielleicht jemanden verlieren können, der uns sehr wertvoll ist.


Wenn wir mal auf die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens schauen, dann erkennen wir, dass wir alle Alltagshelden sind. Jeder von uns tut so gut wie jeden Tag etwas, das er nicht gerne tut, das ihm Angst macht, vor dem er sich lieber drücken würde. Wir sind alle mutig, jeder von uns auf seine eigene, individuelle Art.


Ich bin dafür, dass wir uns dafür endlich mal anfangen zu feiern. Für unseren Mut, den wir jeden Tag aufs Neue beweisen und das alles ohne, dass uns Spinnenfäden aus den Händen schießen oder uns das Batmobil durch die Stadt fährt. Nee, wir machen das einfach so, ohne großes Getöse. Da dürfen sich die ganzen Superhelden mal was von abschneiden.


Als ich mir gestern bewiesen habe, wie mutig ich bin, habe ich davor 350 Mal überlegt wie ich aus der Nummer raus kommen kann. Ich wollte nämlich nicht mutig sein, auf keinen Fall. Ich wollte im Bett liegen bleiben, mir die Decke über den Kopf ziehen und einfach so tun als ob nichts wäre.

Letztlich habe ich es dann gemacht und ich bin stolz auf mich. Mut zu haben bedeutet auch die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass es nicht so ausgeht wie wir uns wünschen. Trotzdem haben wir uns einer Angst gestellt und völlig egal wie es ausgeht oder wie andere darauf reagieren, du weißt, dass du mutig warst! Heute im Laufe des Tages ist mir dann klar geworden, was ich geschafft habe, dann habe ich mir selber auf die Schulter geklopft und mir gesagt "Geile Sau!" und dann habe ich geheult. Jupp, ich habe geheult, weil es beschissen anstrengend und herausfordernd war, weil der ganze Druck von meinen Schultern geknallt ist, den ich mir Tage vorher schon aufgeladen hatte. Manchmal bedeutet mutig zu sein, eben auch zu weinen und all die Emotionen fließen zu lassen und es genauo so anzunehmen wie es in dem Moment halt ist.


Also, wenn dir das nächste Mal jemand sagt "Sei mutig", kannst du getrost antworten "Ich bin mutig, ich bin ein Alltagsheld"!





 
 
 

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Tanja Wii
Tanja Wii
Mar 01, 2022


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©2022 Imke Kosel

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