Eine sehr lange Zeit dachte ich, dass ich alles habe, nur keinen Mut. Ich dachte, dass ich viel zu ängstlich sei um Mut haben zu können. Irgendwann ging mir dann ein Licht auf. Wer Angst hat, hat immer auch eine gehörige Portion Mut. Das geht Hand in Hand, ohne Mut keine Angst und ohne Angst keinen Mut. Eigentlich logisch.
Was bedeutet es denn überhaupt mutig zu sein? In unserer Vorstellung ist der Prinz, der die Prinzessin aus dem Turm rettet und dafür mit dem Drachen kämpft, mutig. Ziemlich plakativ. Und schwer im Alltag umzusetzen. Wenn du mutig sein möchtest, musst du dir zuerst einen Drachen suchen?!
Wir haben alle unsere Drachen, ich nenne sie gerne Alltagsdrachen. Der eine kämpft vielleicht mit dem „Ich-kann-meine-Gefühle-nicht-zeigen-Drachen“, der andere mit dem „Ich-kann-nicht-vertrauen-Drachen“ und der nächste mit dem „Bin-ich-überhaupt-liebenswert-Drachen“ … die Liste ist endlos und oft kämpfen wir mit mehreren Drachen gleichzeitig. Und wo ist hierbei jetzt der Mut geblieben? Ich fühle mich beim Drachen bekämpfen eigentlich nie mutig, viel mehr müde und ausgelaugt.
Hier kommt der Mut ins Spiel: Mutig zu sein bedeutet, aufzuhören gegen die Drachen zu kämpfen und sie Willkommen zu heißen. Natürlich möchte keiner einen Drachen im Vorgarten sitzen haben, aber was soll der Geiz? Es bringt doch nichts, wenn man sie nicht vertreiben kann, dann kann man sie stattdessen einfach auf einen Kaffee oder Tee oder Saft (was weiß ich denn, was Drachen gerne trinken) einladen. Was glaubt ihr wie doof der Drache dann guckt! Er ist auf einen vernichtenden Kampf eingestellt und plötzlich wird er herzlich empfangen und gefragt ob er vielleicht noch ein Eis zum Nachtisch essen möchte. Mut ist, dazu zu stehen, dass man einen oder zwanzig Drachen im Garten sitzen hat. Mut ist, den Drachen sein zu lassen, ihm zu sagen: „Jut, wenn du jetzt schonmal da bist, mach es dir gemütlich, ich ziehe mein Ding trotzdem durch“. Wenn man das schafft, passiert etwas erstaunliches: Dem Drachen wird es zu langweilig, sodass er nach und nach immer seltener kommt, kein Eis mehr essen will und irgendwann komplett weg bleibt. Irgendwie verliert der Drache sein ungemütliches Wesen, seinen Schrecken und sein Feuer.
Es gibt einen sehr schönen, tiefgründigen Spruch: „Mutig ist, wer Durchfall hat und trotzdem furzt“. Ich würde sagen das bringt es auf den Punkt!
Wenn wir alle ein kleines bisschen mutiger wären, würden wir schnell feststellen, dass wir alle mit Unsicherheiten zu kämpfen haben, Angst haben abgelehnt zu werden, Angst davor haben, dass andere uns nicht liebenswert finden oder zu offenbaren, dass wir hin und wieder mal eine Träne verdrücken. Ist es nicht das, was uns Menschen ausmacht? Je mehr wir uns offenbaren und zeigen wer wir sind und wie wir sind, desto mehr werden unsere Drachen unsere Verbündeten, unsere Freunde. Wir können sie stolz der Welt präsentieren. Denn letztlich verbirgt sich bei genauem Hinsehen hinter jedem furchteinflößenden Drachen, ein wunderschöner Prinz oder eine wunderschöne Prinzessin.
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