Selbstmitleid ist doch was Feines, wenn man sonst von keinem anderen bemitleidet wird, macht man es eben selber.
Und es braucht nicht viel, den kleinsten Auslöser und schon kann man die Schultern hängen lassen, jammern wie ungerecht das Leben ist und die Welt und überhaupt... und dann suhlt man sich so richtig in diesem Gefühl und bedauert sich. Das macht Spaß! Oder?
Ehrlich gesagt nicht. Selbstmitleidige Menschen suchen auch Mitleid von anderen, möchten das man ihnen über den Kopf streichelt und auf die Beule, die ihnen das Leben (angeblich) beschert hat, pustet. Macht aber keiner oder nur gaaanz höfliche Menschen hin und wieder mal. Und warum? Weil Menschen die im Selbstmitleid baden uns auf die Nerven gehen. Das Geplärre, weil der Kaffee leer ist, der Postbote dich Samstagmorgens aus dem Bett geklingelt hat und du ja auch mal vor 25 Jahren vom Pferd gefallen bist, nervt einfach. Es nervt, weil es anstrengend ist und unsympathisch macht und am meisten nervt es, weil jeder von uns mal so obernervig im Selbstmitleid badet und wir uns dadurch ertappt fühlen. Ich kann das auch, allerdings nicht mehr so gut wie früher. Früher hätte ich mit meiner schauspielerischen Leistung einen Preis gewinnen können - wäre natürlich kacke, weil durch so ein positives Ereignis hätte das Selbstmitleid ja direkt aufgehört. Aber ich hab das schon echt gut gemacht, ein bisschen die Unterlippe vorgeschoben, Mutter Natur verantwortlich gemacht, dass ich keine rassige Latina geworden bin und geschmollt, weil einfach alle ungerecht zu mir sind - immer! Solange bis ich mir selber massiv auf den Sack damit gegangen bin.
Klar, manchmal will man eben so drauf sein, dann möchte man sich in seine scheiß Laune reinsteigern und das darf sein. Schwierig wird es erst, wenn man das Verhalten nicht mehr händeln kann und damit in einer Sackgasse landet. Da darf man sich dann hinterfragen, was sagt mir mein Selbstmitleid? Ist es der Mangel an Liebe (insbesondere der Selbstliebe), fehlt mir Aufmerksamkeit, Anerkennung? Oder möchte ich einfach nur keine Verantwortung für mich und mein Leben übernehmen? Das verändern was mich stört, aufhören zu mosern und was dagegen tun?!
Nicht mehr anderen und dem Leben im Allgemeinen die Schuld an der misslichen Lage geben, sondern es selbst in die Hand nehmen. Vielleicht ist das erstmal ungewohnt aber es lohnt sich. Und irgendwann macht die Baderei im Selbstmitleid keinen Spaß mehr, man hält eventuell nochmal den kleinen Zeh rein aber das war’s dann auch.
Und spätestens wenn der kleine Zeh drin war im Fahrwasser des Selbstmitleids, merkt man: Das Leben ist schön, den leeren Kaffee kann ich im Supermarkt nachkaufen, der Postbote hat mir mein heiß ersehntes Päckchen gebracht und der Gaul von vor 25 Jahren hatte an dem Tag, als er mich abgeworfen hat, vorher im Selbstmitleid gebadet und war grottenschlecht gelaunt!
Wichtig: Ich rede hier von „normalem“ Selbstmitleid! Nicht von Trauer, Depressionen oder anderen Emotionen/Geisteszuständen. Einzig und allein von dem bisschen Selbstmitleid in dem wir alle mehr oder weniger baden.
Habe ganz schön alt werden müssen, um das mit der Selbstliebe als positiv und Selbstmitleid als negativ zu erkennen. Aber wie heißt es:Better late than never....Sei stolz auf dich, dass du es schon so früh erkannt hast.